Stellenausschreibung: Wildschwein gesucht! – Der Sommer (Nils)

Lebt es sich doch vielleicht besser als Wildschwein, wenn man dabei schon gestorben ist? Wo schläft es sich besser – draußen oder drinnen? Braucht es wirklich einen Regentanz, wenn es schon regnet? Diese Fragen umtrieben einen vor allem während des Pfadfinderlagers Ende Julis, davor standen aber noch eine ganze Reihe anderer Ereignisse an.

Lange liegen die letzten Einträge zurück. Ja, ein totes Wildschwein* kann schwer Blogeinträge verfassen. Aber für die Stille hier gibt es anderen Gründe. Juni und Juli waren die vollsten Monate während des gesamten EVS, man hätte locker jede Woche einen Eintrag füllen können – Hätte man die Zeit gehabt!

Der Juni startete schon gleich mit einem sogenannten Workcamp des EJW-Weltdienstes in Svit. Workcamps sind im Prinzip Freizeiten, wo man aber statt dem üblichen Programm an einem Projekt arbeitet oder baut, was im Ausland Einheimischen zu Gute kommen soll. Unsere Arbeit wäre eigentlich die Renovierung einer Kirche gewesen, dass Projekt war dann doch etwas zu groß, weshalb wir uns mit der Renovierung eines Raumes im Nebengebäude befassten. Da die Arbeit allerdings gut und schnell von Statten ging, gab es viel Zeit um die Umgebung zu erkunden.

Direkt darauf ging es weiter nach Liptovsky Trnovec zu einer Vorbereitungsfreizeit für das Pfadfinderlager.

Die letzten Tage im Juni verbrachten wir dann hauptsächlich mit Helping Hand und Homeoffice. Helping Hands war ein neuerer Teil unseres Projektes. Der Name ,,Helfende Hand“ kommt daher, dass SEM mit diesem Projekt Gemeinden dabei unterstützen will. SEM verfügt dabei über ein größeres Equipment an Hüpfburgen, Wasserfußball und Bodyzorbing. Dies ist für evangelische Gemeinden sehr günstig mietbar (damit es auch realisierbar ist) und wird als Attraktion für Gemeindefeste benutzt. Es kann auch privat oder von Schulen und anderen gemietet werden, kostet dann aber ein wenig mehr (aber immer noch billiger, als wenn man woanders mietet), was dazu dient, um die Kosten, die durch die Einsätze bei den Gemeinden nicht gedeckt werden können, zu decken. Das Ganze funktioniert aber auch nur deshalb, weil alle Mitarbeiter ehrenamtlich sind.

Der Juli begann dann mit einem besonders riesigem Event: SEM-Fest. Das Datum war schon früh gesetzt, durch Erzählungen, Planungen und den Blog unserer Vorgänger wusste man eigentlich schon, womit man es zu tun hatte – aber am Ende war es dann doch anders, als man es erwartet hatte. Es war zwei Nummern kleiner, als ich persönlich erwartet hatte, aber immerhin kamen während der Veranstaltung mehr als tausend Besucher. Doch was genau ist es? Eine Mischung aus Camp, Festival, Konferenz und große Freizeit. Es gibt ein großes Hauptprogramm, eine Menge Seminare zu geistlichen Themen und eine große Menge an Sport- und Freizeitangeboten. Interessanter jedoch war die Zeit davor: Schon eine Woche vorher trafen sich alle Mitarbeiter zum Aufbau, der dann auch die ganze Woche andauerte. das soviel Zeit dafür genommen wird, liegt nicht nur daran, dass es so viel zu tun gibt: Es findet auch viel Teambuilding statt und es gibt auch viel Freizeit und ein Abendprogramm, um die Gemeinschaft zu fördern. Für fast alle Mitarbeiter ist die Vorbereitungszeit beim SEM-Fest deshalb auch das eigentliche Highlight.

 

Nach dem SEM-Fest nahm unsere letzte ,,normale“ Woche ihren Lauf, aber auch diese war gut gefüllt. Wir mussten nun viel Bürokratie bezüglich unseres Freiwilligendienstes bewältigen (beispielsweise einen Bericht schreiben), Dinge erledigen, die wir lange aufgeschoben hatten (Videos, das berüchtigte Devotionbook** etc.) und auch schon die nächsten Camps vorbereiten. Für Katrin ging es nach Parnica (einem Ort in der Nähe von Dolny Kubin), für mich nach Pruzina (einem Ort in der Nähe des Gebirges ,,strazovske vrchy“).

Das Camp in Pruzina war für mich wahrscheinlich DAS HIGHLIGHT während der gesamten Sommerzeit. Es handelte sich hierbei um ein internationales Camp, welches aus der Zusammenarbeit von SEM, einer amerikanischen Missionsorganisation und meiner Kirchengemeinde entstanden ist. Dementsprechend international war das Camp dann auch mit seinen Mitgliedern und Mitarbeitern aus der Slowakei, Deutschland, den USA, Weißrussland und auch Lettland. Auf dem Programm standen Paintball, eine 15-Meilen-Wanderung, Wasserfußball sowie Slackline, sowie jeden Tag Frühsport, ein Morgenprogramm und ein Abendprogramm. So vielversprechend es klang, so vielversprechend wurde es auch – nicht zuletzt auch deshalb, weil unser Team sehr gut organisiert und unser Programm sehr gut strukturiert waren. Besonders beeindruckend und auch herausfordernd waren auch die Zeugnisse***, die wir während des Camps zu hören bekamen: Ist es möglich, den Mörder einer guten Freundin zu umarmen, zu sagen (und auch wirklich ernst meinen) ,,Ich liebe dich und vergebe dir!“ oder als obdachloser Drogenabhängiger wieder zurück in ,,ein normales“ leben zu finden?

Das Camp war leider viel zu schnell zu Ende, aber es sollte schon direkt das nächste darauf folgen: Das Royal-Rangers-Camp****. Am Wochenende zuvor fand das Aufbaulager statt, an dem Katrin und ich aber nur bedingt partizipieren konnten, weil wir wegen organisatorischen Angelegenheiten doch immer wieder mal nachhause mussten. Ab Montag waren wir jedoch mit offiziellem Campbeginn endlich voll dabei.

Und Pfadfindercamps unterscheiden sich gewaltig von allen anderen Camps. Dieses hier unterschied sich sogar völlig von denen, die ich davor aus Deutschland kannte, in vielerlei Hinsicht.

Die gesamte Gruppe war in drei Kleinruppen aufgeteilt, von einer hatte ich offiziell (also laut Papier) die Hauptleitung (praktisch wurden sie von Natalia, einer anderen Mitarbeiterin und mir zusammen ,,geleitet“, soweit es möglich und nötig war). Meine Gruppe ,,hyperaktivne kuriatky“ (,,hyperaktive Küken“ – Den Namen haben sie sich selber ausgedacht, als ich gerade nicht da war!!!) bestand aus 9 Mitgliedern im Alter von acht bis vierzehn Jahren. Jedes Mitglied bekam jeden Tag eine neue verschiedene Rolle zugeteilt (Koch, Feuer, Wasser und Holz, Aufräumen, Leiter – und zu allem gab es noch einen Assistent), jede Gruppe war für seinen Platz verantwortlich, musste sich das Essen auf dem Feuer selber kochen und versuchen, durch Aufgaben und Spiele so viele Punkte wie möglich zu erlangen. Zwischendurch gab es dann auch ein Hauptprogramm, was aus Gesang, Andachten, anfangs auch Anspielen sowie den Fahnenappellen***** bestand. Zwischendurch gab es dann noch Kurse in verschiedenen Pfadfinderischen Disziplinen (Orientierung in der Natur, Sport, Bogenschießen, türkischer Bund und weiteres), wo auch wieder Punkte erlangt werden konnten. Für mich persönlich war dieses Lager in der Hinsicht besonders, dass ich zum einen sehr sehr viel lernen konnte, zum anderen aber auch nochmal sehr viel Zeit mit vielen Kindern und Jugendlichen verbringen konnte (alte Bekannte sowie auch Neulinge), bevor ich ausreiste.

Danach war für mich und Katrin das EVS im Prinzip auch schon vorbei, aber wie es endete, könnt ihr in einem folgenden Blogeintrag lesen.

 

Anmerkungen:

*Längere Geschichte: Bei einem der Geländespiele spielte ich ein Wildschwein, meine Aufgabe bestand hauptsächlich darin Kinder im Wald zu erschrecken. Während des Spielverlaufes durften die Kinder dann auf ,,Wildschweinjagd“ gehen und mussten das nun erjagte Wildschwein zum Lager tragen (bester Teil im Spiel – Und das mit Zeitlimit. Nichts für Vegetarier!

**Devotionbook, das: Relativ wurden wir von unserem Chef darum gebeten, alle Andachten und Reden, die wir im Laufe des EVS halte in Form eines Buches/Heftes auf Slowakisch aufzubereiten. Dieses Buch ziert damit schon seit Dezember unsere To-do-Listen, sodass man nach Fertigstellung wirklich merkte, dass ,,ein Kapitel im Leben“ (das EVS) nun wirklich beinahe abgeschlossen war.

*** Zeugnis, das: slowakisch ,,svedectvo“, in diesem Kontext sind mit Zeugnissen Erfahrungsberichte gemeint, die sich auf den Glauben beziehen. Unter (,,religiöseren“) Christen ist es mitunter üblich, Erfahrungen mit dem Glauben weiter zu erzählen, um einander zu ermutigen.

**** Royal Rangers, die: Ein großer christlicher Pfadfinderverband

***** Fahnenappell, der: slowakisch ,,nastup“ findet einmal morgens und einmal abends statt. Alle versammeln sich, stellen sich in entsprechender Ordnung auf (Kluft, also Hemd und Tuch, sind hierbei Pflicht). Jede Gruppe meldet sich, danach wird gesungen und die Flaggen gehisst (oder abgehängt) und schließlich gibt es noch Instruktionen für den folgenden Programmverlauf.